Villa Alstede

Dornröschenschlaf

Wenn Hof Hauling nach jahrelangem Dornröschenschlaf, versteckt hinter meterhohem Gebüsch, endlich wach geküsst wird - wer ist dann der Prinz? Landwirt Georg Schulze-Hauling, der aus Australien zurück kam und den Elterlichen Hof renoviert? Oder etwa Hermann Timpert, ohne den Georg Schulze-Hauling gar nicht auf die Idee gekommen wäre, die historische Hofstelle aus dem Tiefschlaf zu hohlen? Wie auch immer - Timpert hat zumindest dafür gesorgt, dass zu allererst das Strauchwerk entfernt wird. Seither können alle, die auf der Landstraße zwischen Nottulns Autobahnauffahrt zur A43 und Schapdetten unterwegs sind, einen Blick auf die verwunschene Hofstelle erhaschen.

Und der Anblick ist fantastisch: Ein stolzes Bauernhaus mit Turmerker, ein imposanter Speicher aus dem 19.Jahrhundert mit Staffelgiebel, ein Renaissance-Speicher aus dem 16.Jahrhundert - und alles in dem schönstem Baumberger Sandstein. Dass so ein Hof nicht nur in Einzelteilen, sondern in seiner Gesamtheit unter Denkmalschutz gestellt werden sollte, das leuchtet auch Georg Schulze-Hauling ein. Zusammen mit Dr. Lammers vom Westfälischen Amt für Denkmalpflege leitet er das Verfahren in die Wege, um die Hofstelle aus dem 13.Jahrhundert so Originalgetreu wie möglich erhalten zu können. Dabei wollte der 42-jährige Landwirt vor nicht allzu langer Zeit eigendlich gar nichts mehr vom elterlichen Erbe wissen. Frustriert von der Arbeit als Landwirt und unzufrieden mit seinen Zukunftsperspektiven hängt Georg Schulze-Hauling seinen Beruf 1992 mehr oder weniger an den Nagel und machte sich auf den Weg zum anderen Ende der Erdkugel. Hauptsache, weit weg. "Was nutzt es, meinen Beruf als Landwirt zu behalten, wenn ich mein Vermögen nicht halten kann," beschreibt Georg Schulze-Hauling seine innere Unzufriedenheit, die ihn seit 1992 jeden Winter "down under", nach Australien führte. Zeit zum Reisen hat er jetzt allerdings nicht mehr. Dafür hat er Hermann Timpert. Der 64-jährige Sozialpädagoge, Seemann, Maurer und leidenschaftlicher Renovierer aus Appelhülsen war schon als Kind von dem "verwunschenen Schloß" hinter den hohen Hecken in der Bauerschaft Heller fasziniert. Als sich die beiden vor etwa zwei Jahren zufällig ("In einer Frittenbude," schmunzelt Georg Schulze-Hauling) kennen lernten und Schulze-Hauling von seinem Elternhof erzählte, war es für Hermann Timpert mit der Ruhe des Rentnerdaseins schnell vorbei. Timpert: "Das hab' ich mir noch am selben Tag angesehen.

Und dann stand für mich fest, dass da was passieren muss." Seit eineinhalb Jahren stehen die beiden nun jeden Tag auf ihrer Baustelle, räumen auf, schleppen Steine, putzen, spachteln, stemmen und schleifen. Wenn der erste Speicher aus dem 19.Jahrhundert mit über 400 Quadratmetern Wohnfläche irgendwann mal fertig gestellt ist, soll in Absprache mit dem Denkmalamt der Renaissance- Speicher aus dem 16. Jahrhundert renoviert werden. "Das wird meine Kemenate", freut sich Hermann Timpert auf sein künftiges Domizil.

"Ach was, Kemenate. Das war immer ein Speicher", widerspricht Getrud Schulze-Hauling. Und die 76-jährige Bäuerin muss es schließlich wissen. Immerhin lebt sie seit fast fünfzig Jahren auf dem Hof in Heller. Als sie 1954 auf den Hof heiratete, wohnten dort sieben Familien. "Die meisten zwangseingewiesen, nach dem Krieg wurde ja jedes Fleckchen Wohnraum genutzt," erinnert sich die Mutter von fünf Kindern. Vor 21 Jahren verstarb ihr Mann. Und als es Sohn Georg vor neun Jahren nach Australien zog, lebte Gertrud Schulze-Hauling oftmals ganz allein auf dem riesigen Anwesen. Allein die Küche im 1908 angebauten Küchentrackt ist so groß wie manche komplette Neubauwohnung. "Ich bin das so gewohnt", versichert Gertrud Schulze-Hauling. "Mich könnte man nicht in eine Drei-Zimmer-Wohnung sperren." Dafür nimmt sie auch Unbequemlichkeiten in Kauf. "Es ist eben alles alt hier. Und obwohl sich der Hof draußen in der Sonne auf fast 30 Grad erwärmt, steigt das Thermometer in der Küche gerade mal auf 16 Grad. Mit der Einsamkeit ist es für Gertrud Schulze-Hauling aber bald vorbei. Sohn Georg wird der erste sein, der wieder auf den Hof zieht, dann soll Hermann Timpert folgen. Nach und nach werden weitere Wohneinheiten fertig gestellt. Zwar sind auf den Bauernhöfen nur vier Wohneinheiten erlaubt, allerdings kann die baurechtliche Regelung für "Wohnen im Außenbereich" vom Denkmalschutzgesetz überlagert werden. "Da sind dann auch mehr Wohnungen möglich," deutet Georg Schulze-Hauling die künftige Entwicklung des Hofes an. Einige Untermieter müssen allerdings vorher ausziehen: Über Jahrzehnte haben Dohlen ihre Nester in den Kamin des Renaissance-Speichers gebaut. So skurril das auch aussehen mag - die müssen weg.

Quelle: Stadtanzeiger vom 27. Juni 2001

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